Innerhalb eines Jahres soll laut einer Empfehlung der EU-Kommission die gesamte grundberührende Fischerei im Nationalpark Wattenmeer verboten werden. / Krabbenfischer kündigen für nächste Woche Proteste und eine Kutter-Demonstration am 23.3.2023 in Büsum an.

Frustration, Unglaube und eine gehörige Portion Wut prägten die Gemütslage der Krabbenfischer im Landesfischereiverband Schleswig-Holstein bei der heutigen Mitgliederversammlung.

Verantwortlich dafür ist die Empfehlung der Europäischen Kommission vom 21. Februar für ein Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit des Fischerei- und Aquakultursektors im Rahmen der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030.

Was für Außenstehende vielleicht zunächst gut klingt, hätte für die traditionelle Krabbenfischerei katastrophale Folgen: Bereits die erste Maßnahme wäre ein Verbot der grundberührenden Fischerei in allen Natura 2000-Gebieten bis Ende März 2024. Dies hätte die völlige Einstellung der Krabbenfischerei im Nationalpark Wattenmeer innerhalb eines Jahres zur Folge – und damit nichts anderes als den Ruin der gesamten Krabbenfischerei von Dänemark über Deutschland bis in die Niederlande.

Niclas Herbst, Vollmitglied im Fischereiausschuss des Europäischen Parlaments und Berichterstatter zum Aktionsplan, kritisiert die Empfehlung der Kommission scharf: „Das in den nächsten Jahren bis 2030 geforderte Verbot jeglicher grundberührenden Fischerei in Meeresschutzgebieten – unabhängig vom Schutzzweck – ist in dieser Form nicht verhältnismäßig und würde das „Aus“ für weite Teile der deutschen Küstenfischerei bedeuten. Eine derartige Beschränkung der Fanggebiete an der deutschen Küste kommt einem Berufsverbot gleich. (…) Die Kommission muss umdenken! Wir brauchen regionale Lösungen statt pauschaler Verbote.“

 

 

Jan Möller, Vorsitzender der Sparte Krabbenfischerei, pflichtet dem bei und bringt es auf den Punkt: „Für die Betriebe hätte das drastische, existenzbedrohende Konsequenzen: Entzug der Fangerlaubnis, Einstellung der Betriebstätigkeit, Verlust der Geschäftsgrundlage und kompletter Wertverlust am Kutter. Dabei sind die tatsächlichen Auswirkungen der grundberührenden Fischerei auf den Meeresboden kaum messbar.“

Ein wirksames Paket gegen die größten Bedrohungen der Meere, etwa Meereserwärmung infolge des Klimawandels oder Verschmutzung durch Plastikmüll und andere Schadstoffe, blieb der Aktionsplan zur Enttäuschung der Krabbenfischer indes schuldig. Ebenso wie eine Folgeabschätzung – eigentlich die Mindestvoraussetzung für eine realitätsbezogene Gesetzgebung in modernen Gesellschaften.

Hinzu kommt, dass diese für die Krabbenfischer existenzbedrohende Empfehlung der Europäischen Kommission nur wenige Tage auf das Verbot der grundberührende Fangtätigkeit im Sylter Außenriff und weiteren Gebieten vom 16. Februar erfolgte.

Die Fischereiverbände prüfen derzeit intensiv, juristisch gegen die unverhältnismäßige Schließung großer Fanggebiete vorzugehen.

Mit der EU-Empfehlung sind die schlimmsten Befürchtungen der Krabbenfischer wahr geworden. Keiner der Vorschläge zur vernünftigen und ausreichenden Umsetzung der Natura-2000-Richtlinie, die die Fischereiverbände schon frühzeitig in den Gesetzgebungsvorgang eingebracht hatten, wurde von der Bundesregierung und der Kommission berücksichtigt.

„Man kann nicht 5.000 Quadratkilometer sperren, um 200 Quadratkilometer Riffe zu schützen. Aber so soll es nun kommen. Große Gebiete in der Nordsee werden wohl künftig für grundberührende, geschleppte Fanggeräte geschlossen werden. Das sind riesige Flächen, von denen nur ein Bruchteil schützenswerte Habitate nach Natura 2000-Richtlinie enthält.“, erklärt Bettina Adam, Vorstandsmitglied der Krabbenfischerei.

Angesichts dieser Existenzbedrohung sowie der Sperrung des Sylter Außenriffs für den Krabbenfang kocht die Seele der Krabbenfischer über. Ihren Unmut werden sie anlässlich der Agrarministerkonferenz in Büsum in der kommenden Woche zum Ausdruck bringen: Am Donnerstag, den 23. März, wird dann eine Kutterdemo vor Büsum auf See mit anschließender Kundgebung am Ankerplatz stattfinden.